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Prävention

Prävention möchte Krankheiten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit vermeiden. Sie ist unterstützte Selbstheilung. Sie hat immer zum Ziel, Teilhabefähigkeit zu erhalten und beinhaltet auch die Rehabilitation. Bereits 1967 definierte die WHO 3 Ebenen der Prävention, die nachfolgend an Beispielen erörtert werden:

  1. Die primäre Prävention umfasst vorbeugende Maßnahmen beim völlig Gesunden, um Erkrankungen zu vermeiden.
  2. Die sekundäre Prävention beinhaltet vorbeugende Maßnahmen bei bereits bestehenden Risikofaktoren, die sich nicht weiter verschlimmern sollen.
  3. Die tertiäre Prävention soll eine weitere Verschlechterung nach bereits eingetretenen irreversiblen Ereignissen vermeiden.

Primär präventiv haben die Unfallverhütungsvorschriften der letzten Jahrzehnte im Bereich der Verletzungen des Halte- und Bewegungsapparates Wesentliches geleistet. Ein Ziel des konservativ tätigen Orthopäden und Unfallchirurgen ist es, Operationen zu vermeiden. Die derzeitige ärztliche Weiterbildungsordnung wird mit einer Übergewichtung der operativen Inhalte diesem Anspruch immer seltener gerecht. Sekundär präventiv und selektiv präventiv ist z.B. die Behandlung von Vitamin D-Mangelzuständen. In Deutschland leiden weit über 50 %, in manchen Regionen sogar 80 % der Bevölkerung unter einem signifikanten Vitamin-D-Mangel. Dieser Mangel stellt einen ausgesprochenen Risikofaktor für Knochenerkrankungen wie die Osteoporose dar. Es kann zu einer verschlechterten neuromuskulären Erregbarkeit der Skelettmuskulatur kommen, mit der Folge vermehrter Stürze und der erhöhten Gefahr osteoporotisch bedingter Frakturen. Am Beispiel für tertiäre Prävention sollen die bio-psycho-sozialen Aspekte von Prävention verdeutlicht werden. Im Rahmen der von vielen wahrgenommenen Arbeitsverdichtung, sich auflösender sozialer Strukturen, Bewegungsmangel bedingt durch geändertes Arbeits- und Freizeitverhalten und zunehmender Unwägbarkeiten im beruflichen wie auch privaten Bereich findet sich eine hohe Anzahl an (Rücken-) Schmerzpatienten. Aber auch übertriebener, „krankhafter“ überhöhter Leistungsanspruch kann zu Überlastungsschmerzen führen. Diese Schmerzen konkurrieren mit den psychischen Erkrankungen um Platz 1 auf der Morbiditätsstatistik, jeweils bezogen auf die kumulierten Arbeitsunfähigkeitstage insgesamt pro Jahr der deutschen Bevölkerung. Beide Krankheitsgruppen hängen häufig zusammen. Diese Schmerzen können Rückzug oder übertriebenes Durchhalten provozieren. Beides kann soziale Isolation und psychische Erkrankungen hervorrufen. Dies ist der klassische Werdegang einer häufigen Patientenklientel. Wie wird verfahren? Häufig bekommt der Patient eine Schmerzmedikation mit allen Wirkungen und Nebenwirkungen. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten nehmen zu und es kommt stetig zu mehr beruflichen und privaten Einschränkungen. Arztbesuche häufen sich und der soziale Status sinkt. In Anbetracht der Zunahme chronischer Schmerzpatienten stellt sich die Frage, ob die überwiegend angebotenen und durchgeführten Therapiemaßnahmen diesen Schmerzpatienten gerecht werden. Deshalb sollte sich die Prävention nicht auf ein Organ oder Organsystem, fokussieren, vielmehr kommt es im Rahmen der konservativ orthopädischen und unfallchirurgischen Arbeit sehr häufig darauf an, komplexe Störungen, welche sich nicht selten sowohl im körperlichen als auch im seelischen Bereich manifestieren, in einen gemeinsamen Kontext einzubetten. Sämtliche Lebensumstände des Patienten müssen in Betracht gezogen werden und sind zu gewichten. Im Rahmen dieser Diskussion sollte man die Wirtschaftlichkeit nicht vernachlässigen. Sinnvolle präventive Maßnahmen sind mittel- und langfristig fast immer kostengünstiger für die Allgemeinheit und die einzelne Person.

Gemäß UN-Behindertenrechtskonvention soll Prävention v.a. die unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft (Artikel 19), Arbeit und Beschäftigung (Artikel 27), einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz (Artikel 28), die Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport (Artikel 30) ermöglichen. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, des existenten Fachkräftemangels und überalterter Belegschaften scheint dies für unser Land eine möglicherweise existenzielle Aufgabe zu sein.

(Quelle: Weißbuch Konservative Orthopädie und Unfallchirurgie)